Aus dem 1. Kapitel (Heute):
„Seit ein paar Tagen stehe ich morgens um sechs zusammen mit allen anderen auf, um zu sehen, zu hören, zu riechen, wie sich Landwirtschaft heute anfühlt auf dem Hof, auf dem ich aufgewachsen bin.
Ich ziehe die Stallklamotten an und gehe nach draußen. Erst nach ein paar Tagen fällt mir auf, dass ich hier den Blick nicht heben muss, um den Himmel zu sehen. Kein Haus ist im Weg. Und ob es
regnet oder bald regnen wird, wie der Wind geht, ist sofort gewusst, in Auge und Ohr und Nase eingeströmt.
Ich gehe mit ihnen in den Stall, aber ich laufe nur so mit – mal mit meiner Schwägerin Anna, die für die Kälber verantwortlich ist, mal mit meinem Bruder, der im alten Melkstand steht, mal mit
ihrem Sohn Hannes, der für die Fütterung sorgt und den Roboter kontrolliert. Helfen kann ich nicht, denn kein Handgriff ist noch so, wie ich ihn kannte.“
Aus dem 5. Kapitel (18. Jahrhundert)
„‘So stieg ich durch alle Stände aufwärts‘, schrieb Goethe 1780 an einen Freund, sehe den Bauersmann der Erde das Nötigste abfordern, das doch auch ein behägliches Auskommen wäre, wenn er nur für
sich schwitzte. Du weißt aber, wenn die Blattläuse auf den Rosenzweigen sitzen und sich hübsch dick und grün gesogen haben, dann kommen die Ameisen und saugen ihnen den filtrierten Saft aus den
Leibern. Und so geht’s weiter, und wir haben es so weit gebracht, dass oben immer in einem Tag mehr verzehrt wird, als unten in einem beigebracht werden kann‘.“
Goethe war als Minister selbst Teil der oberen Stände. Er kannte aus eigener Anschauung das luxuriöse Leben der Adeligen am Hofe, gehörte sozusagen selbst zu denen, die den Blattläusen, also den
Bauern, den Saft abzapften."
Aus dem ersten „Zwischenspiel“:
„Krischan und ich haben uns vorgenommen, uns regelmäßig zu treffen und über Bäuerlichkeit und Landwirtschaft zu sprechen. Die wachsende Kritik an der modernen Agrarwirtschaft hat uns immer mehr
aufgebracht – zumal ja kaum einer kannte, worüber er sprach und nichts wusste über landwirtschaftliches Leben und Arbeiten, über Ackerbau und Viehwirtschaft.
Wir verabreden Lektüren, besuchen Museen, gehen in Galerien und ethnologische Sammlungen. Wir suchen nach Spuren des Agrarischen in unserer Kultur, forschen nach Elementen des Bruchs zwischen dem
Städtischen und dem Ländlichen, zwischen Damals und Heute.
Wir fragen uns, um welches ‚Damals‘ es eigentlich geht.
Wann ist für Stadtbewohner Landwirtschaft noch akzeptabel gewesen?“
Wollen Sie mehr wissen zu „Bauern, Land. Die Geschichte meines Dorfes im Weltzusammenhang“ , besuchen Sie einfach
https://www.kunstmann.de/buch/uta_ruge-bauern-_land-9783956143878/t-1/